Stoßwellentherapie
Therapeutische Stoßwellen können gezielt an geschädigten oder schmerzhaften Strukturen Energie freisetzen, wodurch Heilungsprozesse im Körper aktiviert werden. Darüber liegendes Gewebe wie Haut oder Muskeln werden dabei nicht beschädigt.
Ursprung der Stoßwellentherapie
Die Stoßwellenbehandlung ist eine seit Jahrzehnten in der Medizin eingesetzte nicht-invasive Therapieform. Mit ihr können krankhafte Veränderungen an Sehnen, Bändern, Muskeln und Schleimbeuteln gezielt therapiert und Schmerzen behandelt werden. Sie wird daher auch sehr gern in der Schmerztherapie eingesetzt.
Die außerhalb des Körpers (extra-korporal) erzeugten Druckwellen (Stoßwellen) setzen ihre Energie in tiefer gelegenen Gewebeschichten frei. Die darüber liegenden Schichten wie Haut, Unterhautfettgewebe und Muskeln werden dabei nicht beschädigt. Im Zielgewebe regt die freigesetzte Energie die Durchblutung und die Zellregeneration an. Durch die Stoßwellentherapie wird also die Selbstheilung des Körpers aktiviert.
Fokussierte Stoßwelle
Die Druckwellen sind kürzer, energiereicher und können zielgenauer auf einen Punkt ausgerichtet werden. Das Einsatzgebiet sind unter anderem Sehnenansatzreizungen (Tennisellbogen, gereizter Fersensporn etc.), Kalkschulter oder Knochenheilungsstörungen nach Verletzungen.
Radiale Stoßwelle
Die Druckwellen sind sanfter und eher flächig ausgerichtet. Die radiale Stoßwelle wird typischerweise bei muskulären Problemen (Verspannungen, Triggerpunkttherapie, chronische Schmerzen des Bewegungsapparates) eingesetzt.
Technische Hintergründe der Stoßwellentechnologie
Die Stoßwelle wird nach dem piezoelektrischen Prinzip erzeugt. Durch eine halbrunde Oberfläche werden kurze, hochenergetische Druckimpulse erzeugt, die sich in Form einer Stoßwelle ausbreiten.
Durch die halbrunde Oberfläche können die Wellen auf einen Punkt in einer definierten Eindringtiefe konzentriert werden, dem Energiefokus. An dieser Stelle wird die meiste Energie freigesetzt.
Eine Stoßwelle beginnt mit einer Kompressionsphase, der im Gewebe eine Spannung erzeugt, das Gewebe „wird zusammen geschoben“. Es kann dabei für wenige Mikrosekunden ein Druck bis zu 100 MPa erzeugt werden. In der anschließenden Zugphase entstehen sogenannte Kavitationsblasen im Gewebe.
Die Energie der Stoßwelle kann je nach Anwendung angepasst werden. Für die Zertrümmerung von Nierensteinen oder die Behandlung von Fersenspornen werden hohe Energien verwendet, während bei anderen Anwendungen, beispielsweise an Sehnenansätzen, niedrigere Energien verwendet werden.
Stoßwellen haben verschiedene biologische Effekte, darunter die Stimulierung von Zellregeneration, die Förderung der Durchblutung und die Schmerzreduktion:
- Durch die Aktivierung der schmerzleitenden C-Nervenfasern wird die Ausschüttung der Schmerzsubstanz P reduziert. Der Patient merkt bereits während der Sitzung, dass die Schmerztoleranz steigt. Gleichzeitig gehen neurogene Entzündungen zurück.
- Durch die Energie der Stoßwelle werden Wachstumsfaktoren (u.a. PCNA, eNOS und VEGF) freigesetzt, die einen Reparaturmechanismus starten. Es werden neue Blutgefäße gebildet (Angiogenese) und die Durchblutung insgesamt wird angeregt, so dass eine schnellere Heilung möglich ist.
- Gleichzeitig werden ortsständige mesenchymale Stammzellen aktiviert. Durch die erhöhte Zellneubildung kann es zu einer Regeneration des Gewebes ohne Narbenbildung kommen.
Ablauf der Stoßwellentherapie
Je nach zu behandelnden Beschwerden werden drei bis fünf Sitzungen in einem Abstand zwischen 5 und 14 Tagen geplant. Sie Sitzung selbst dauert ca. 5 bis 15 Minuten. Die Wirkung tritt meistens innerhalb von wenigen Tagen ein. Die Therapie kann jederzeit wiederholt werden.
Die Behandlung ist schmerzarm und kann meist ohne lokale Betäubung durchgeführt werden.
Während der Therapie können Sie sitzen oder liegen. Der Schallkopf wird ähnlich wie bei einer Ultraschalluntersuchung auf die zu behandelnde Stelle aufgesetzt, der Kontakt wird mit Gel hergestellt. Die Intensität der Stoßwellen wird individuell auf Sie eingestellt und kann jederzeit während der Sitzung variiert werden, zum Beispiel falls Sie die Behandlung als zu schmerzhaft empfinden sollten.
Mögliche EInsatzgebiete
1. Kalkschulter
Tendinitis calcarea
Viele Patienten haben anlagebedingt oder nach kleineren Verletzungen Verkalkungen in den Sehnen der Schulter, ohne dass diese Beschwerden verursachen oder behandelt werden müssen. Falls sich diese Verkalkungen aber entzünden, kann der Schmerz die Beweglichkeit der Schulter komplett aufheben.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Injektion mit Eigenblut oder Hyaluron, entzündungshemmende Schmerzmittel, Elektro- oder Kältetherapie
2. Tennis-Ellenbogen
Epicondylitis humeri radialis
Nicht mehr Tennis, sondern hohe alltägliche Belastung wie Arbeiten am Computer, Schrauben, Tippen oder Drehen sind der häufigste Auslöser für diese Sehnenansatzreizung. Anfangs sind nur kraftvolle Bewegungen schmerzhaft, bei zunehmender Reizung schmerzt jeder Fingerstreckung. Ohne Therapie bleiben die Beschwerden häufig länger als zwei Jahre.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Bandagen, physikalische Therapie, Injektionen mit Eigenblut oder Hyaluron, lokale Salbenanwendung
3. Golfer-Ellbogen
Epicondylitis humeri ulnaris
Wie auch schon beim Tennis-Ellbogen ist auch beim Golfer-Ellbogen der namengebende Sport nicht die häufigste Ursache. Jede kraftvolle Beugung der Finger oder des Handgelenks belastet den Sehnenursprung an der Innenseite des Ellbogens.
Diese druckschmerzhafte Sehnenreizung ist zwar selten, schränkt aber den Alltag massiv ein.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Bandagen, physikalische Therapie, Injektionen mit Eigenblut oder Hyaluron, lokale Salbenanwendung
4. Bizepssehnenreizung
Distale Bizepstendinopathie
Diese Reizung der unteren (ellenbogen-nahen) Sehne des Bizeps kann chronische Schmerzen verursachen und die Beweglichkeit des Arms beeinträchtigen. Ursache ist meist eine Überlastung.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Bandagenversorgung, Injektion mit Eigenblut, Stretching, Elektro- oder Kältetherapie
5. Schleimbeutelreizung an der Hüfte
Bursitis trochanterica
Der Trochanter major ist ein großer Knochenvorsprung, an dem fünf Sehnen ansetzen, die wiederum durch einen Schleimbeutel gepolstert sind. Die häufigste Ursache für eine Reizung sind schlecht gedehnte Muskeln oder auch Veränderungen des Hüftgelenks, die zu einem schlechten Gangbild führen.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Stretching, Injektionen mit Eigenblut oder Kortison, lokale Salbenanwendung, Röntgenreizbestrahlung
6. Patellaspitzensyndrom
Jumpers Knee
Die Patellarsehne verbindet die Kniescheibe mit dem Unterschenkel und überträgt die Kraft bei der Streckung im Knie. 8% aller Freizeitsportler leiden an einer Überlastungsreaktion dieser Sehne mit ihrem typischen Druckschmerz unterhalb der Kniescheibe.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Bandagenversorgung, Injektion mit Eigenblut, Stretching, Elektro- oder Kältetherapie
7. Achillessehnenbeschwerden
Jeder 10te Freizeitläufer leidet an Überlastungsschmerzen der Achillessehne, 5% aller Profiläufer beenden ihre Karriere wegen Problemen an der Achillessehne. Bei chronischen Entzündungen kann der sogenannte obere Fersensporn (Haglund-Exostose) entstehen.
Weitere Therapieoptionen: u.a. Stretching, Fersenkeile, Injektionen mit Eigenblut oder Hyaluron, lokale Salbenanwendung, KinesioTape
8. Fersensporn
Plantarfasziitis
Die knöcherne Ausziehung an der Ferse, die man im Röntgenbild sieht und die landläufig der Krankheit ihren Namen gibt, ist nicht Ursache, sondern Symptom der Erkrankung. Schmerzursache ist eine chronische Reizung der großen Sehnenplatte, die das Längsgewölbe des Fußes aufspannt. Bis zu 15% aller Fußprobleme, die zu einem Arztbesuch führen, gehen auf eine Plantarfasziitis zurück.
Weitere Therapieoptionen: u.a. intensives Stretching, Faszienball, Injektionen, Einlagenversorgung
Die Kosten werden in aller Regel von den Privaten Krankenkassen und bei speziellen Indikationen auch von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
Literatur
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