Faktencheck: Knackende Gelenke

„Herr Doktor, meine Schulter knackt ständig, da muss doch was kaputt sein?!?“ Diesen Satz hören wir täglich in der Sprechstunde. Aber ist das wirklich so? Signalisiert uns das laute Geräusch aus dem Gelenk einen mechanischen Schaden? Lesen Sie hier den Fakten-Check!

Faktencheck: Knackende Gelenke

von | 03.06.2024 | Allgemein

Das berühmte Fingerknacken hat schon viele Beziehungen auf eine harte Probe gestellt: der eine will oder kann nicht davon lassen, die andere ist genervt davon oder ekelt sich sogar davor.  Aber was verursacht eigentlich dieses knackende Geräusch? Und ist es gefährlich oder einfach nur eine schlechte Angewohnheit?

So entsteht das Knacken

Ein Gelenk wird von mindestens zwei fest aneinander liegenden und mit Knorpel überzogenen Knochenenden gebildet. Innerhalb des Gelenks befindet sich eine Flüssigkeit, die Gelenkschmiere. Diese Gelenkflächen mit der Gelenkflüssigkeit können Sie sich wie zwei Glasplatten vorstellen, die mit einem Tropfen Wasser aufeinander gelegt wurden. Dabei bilden sich sogenannte Adhäsionskräfte, sodass die Platten durch Unterdruck gewissermaßen zusammenkleben. Löst man eine Platte von der anderen ab, macht es einen „Plopp“: der Unterdruck wurde schlagartig überwunden. So kann es sich beim Gelenk auch anhören bzw. anfühlen.

Bei diesem Plopp entstehen kurzzeitig Gasbläschen aus der Gelenkflüssigkeit, die sich sofort wieder in der Gelenkflüssigkeit auflösen, wenn der Unterdruck abnimmt. Diesen Vorgang nennt man Tribonukleation. Das Geräusch wird also dadurch verursacht, dass ein Teil der Gelenkflüssigkeit kurzzeitig seinen Aggregatzustand von flüssig zu gasförmig und wieder zurück ändert. Die frühere Theorie, dass das Platzen der Gasblasen das Knacken verursacht, gilt inzwischen als widerlegt.

Wissenschaftlich nachgewiesen wurde dieser Vorgang 2015 von Forschern in Nebraska, die mit Hilfe des MRTs den Vorgang in 3,2 Bildern pro Sekunde beim Fingerknacken festgehalten haben. Grundsätzlich ist dieser Vorgang auf alle Gelenke im Körper übertragbar.

Ist das Gelenkknacken schädlich?

In der Vergangenheit haben sich Forscher immer wieder damit beschäftigt, die Hintergründe und Auswirkungen des Knackens zu erforschen – und das schon seit Jahrzehnten. Bereits 1975 stellten Autoren aus Los Angeles fest, dass Fingerknacken keine schädlichen Effekte für die Gelenke hat, außer dass es „die unbeteiligten Beobachter nervt“ (Swezey RL, Swezey SE, West J Med 1975).

Das hielt aber einen Kollegen aus Kalifornien nicht von einem heroischen Selbstversuch ab: Donald Unger wollte seiner Mutter beweisen, dass das Knacken ungefährlich ist und knackte 60 (!) Jahre lang täglich zweimal mit den Fingern seiner linken Hand und sparte die rechte dabei bewusst aus. Mit 83 Jahren stellte er dann fest, dass seine linke Hand im Vergleich zur Gegenseite keinen Schaden genommen hatte. Dafür erhielt er 2009 den satirischen „Ig-Nobelpreis“ (IG steht für ignobel = unwürdig; nicht zu verwechseln mit dem oft als alternativen Nobelpreis bezeichneten Right Livelihood Award).

Auch wenn also das absichtliche Knacken der Gelenke an Fingern oder Wirbelsäule ungefährlich ist, werden Ihnen viele Mitmenschen sicher dafür dankbar sein, wenn Sie damit aufhören.

Vergleichbar sieht die Sache aus, wenn Gelenke spontan knacken. Auch das ist in der Regel kein Grund zur Besorgnis. Gelenke sind in ständiger Bewegung, es kann dabei öfter zu dem oben erwähnten Unterdruck und damit zum Knacken kommen.

Die Theorie, dass hier Bänder oder Gelenkkapsel wieder zurecht gerückt werden, hat keine wissenschaftliche Grundlage.

Auch bei chirotherapeutischen Handgriffen kann es zu einem knackenden Geräusch kommen. Bei dem kurzen Impuls, den der Arzt bei der Manipulation setzt, werden die Gelenke im physiologischen (also „normalen“) Bereich kurz auseinander gezogen. Die anatomischen Grenzen werden dabei nicht überschritten. Der Plopp ist hier nur ein Nebeneffekt, und nicht das gewünschte Ziel der Manipulation. Die erwünschte Bewegungsverbesserung und Schmerzreduktion erreicht man auch ohne das knackende Geräusch. Die Vorstellung, dass hier Gelenke mit einem Knall wieder zurück in die richtige Position springen, ist also grundlegend falsch (siehe auch Faktenchek „Mir ist der Wirbel raus gesprungen“).

Wann sollte ich mit meinen Gelenkgeräuschen zum Arzt?

Wir haben gelernt: schmerzfreies Gelenkknacken alleine ist kein Anzeichen für ein ernsthaftes Problem und muss nicht behandelt werden.

Etwas anders sieht der Fall natürlich aus, wenn das Knacken mit Schmerzen verbunden ist oder mit einer starken Steifheit einhergeht. Hier kann das Geräusch auf beginnende Gelenkschäden hinweisen, ebenso wie knirschende Geräusche („Sand im Getriebe“, in der Medizin Krepitation genannt). Im Sinne der Prävention sollten Sie Ihren Arzt darauf ansprechen. Auch Knacken in direkter Verbindung mit einen Trauma sollte ärztlich abgeklärt werden.

Literaturhinweise

Swezey RL, Swezey SE (1975) The consequences of habitual knuckle cracking. West J Med. 1975 May;122(5)

Kawchuk GN et al (2015) Real-time visualization of joint cavitation. PLoS One. 2015 Apr 15;10(4)

Castellanos J et al (1990) Effect of habitual knuckle cracking on hand function. Ann Rheum Dis. 1990 Mai;49(5):308-9

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