Unkomplizierte Rückenschmerzen sind zwar lästig, aber fast immer harmlos – und vor allem: Sie selbst können den Heilungsverlauf entscheidend beeinflussen. Aktivität, gezielte Übungen und eine gute Schmerztherapie sind Ihr Erste-Hilfe-Set für zu Hause.
Rückenschmerzen: Kein Grund zur Panik – aber zum Handeln
Nahezu jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens Rückenschmerzen – meist im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule) – ohne dass eine ernsthafte Ursache dahintersteckt. Solche „unspezifischen Rückenschmerzen“ sind in der Regel harmlos und innerhalb weniger Tage bis Wochen rückläufig, vorausgesetzt Sie bleiben aktiv.
Schmerzmittel – warum sie (richtig dosiert) wichtig sind
Viele Patienten scheuen sich vor Schmerzmitteln, doch ein häufiger Fehler ist: zu spät beginnen, zu früh aufhören und zu niedrig dosieren. Dabei helfen Schmerzmittel nicht nur gegen das akute Ziehen oder Stechen – sie ermöglichen auch Bewegung, und Bewegung ist der zentrale Schlüssel zur Heilung. Haben Sie keine Angst, dass Sie dadurch „etwas Schlimmeres nicht mehr spüren können“ und dadurch vielleicht etwas kaputt machen. Frei verkäufliche Schmerzmittel sind nicht so stark, dass z.B. Nervenschmerzen durch einen relevanten Bandscheibenvorfall oder die Schmerzen durch einen Wirbelkörperbruch überdeckt werden könnten.
- Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen wirken entzündungshemmend und schmerzlindernd.
- Eine kurzfristig höhere Dosierung (nach ärztlicher Empfehlung) kann effektiver sein als eine wochenlange Mini-Dosis.
- Bei Unverträglichkeit oder Magenproblemen gibt es Alternativen (z. B. Paracetamol, Metamizol).
Wichtig: Schmerzmittel sind kein Dauerlösung, aber in der akuten Phase oft der Türöffner für Bewegung. Warum das so ist, erklärt Ihnen der nächste Absatz.
Wie der Schmerzkreislauf entsteht – der Kampf zwischen Muskel und Gehirn
Dem klassischen Hexenschuss (Lumbago) liegt meistens eine Fehlregulation in der Muskelansteuerung zu Grunde. Der plötzlich einschießende Schmerz fühlt sich zwar dramatisch an, ist aber meist harmlos und gut behandelbar.
Ein Hexenschuss entsteht oft entweder plötzlich – zum Beispiel beim Heben, Drehen oder Bücken – oder schleichend, durch eine über Tage oder Wochen aufgebaute Fehlhaltung. In beiden Fällen wird die Wirbelsäule mechanisch gereizt, etwa durch eine Blockade in den kleinen Wirbelgelenken (Facettengelenke).
Was dann passiert, ist ein typisches Beispiel für einen kurzfristigen Schmerzkreislauf: der mechanische Reiz an der Wirbelsäule wird als Signal ans Gehirn weitergeleitet – über sogenannte Nozizeptoren (Schmerzfühler). Das Gehirn interpretiert das Signal als Bedrohung – und reagiert reflexartig mit einer Muskelanspannung („Schutzspannung“) im unteren Rücken. Diese plötzliche Muskelverkrampfung verursacht wiederum lokale Schmerzen, die erneut als Schmerzsignal ans Gehirn geschickt werden.
Das Gehirn „sieht“ also: „Immer noch Schmerz“ – und erhöht die Schutzspannung weiter. Ein Teufelskreis beginnt: Muskelverspannung → Schmerz geht ans Hirn → das Hirn „schützt“ mit mehr Verspannung → dadurch entsteht mehr Schmerz → der wieder ans Gehirn gemeldet wird.
Dieser Kreislauf ist kurzfristig, aber sehr unangenehm. Es fühlt sich oft so an, als wäre „etwas Schlimmes passiert“ – dabei ist die Struktur in der Regel nicht beschädigt, sondern nur reizüberflutet und überreagierend.
Hier kommen nun erneut die Schmerzmittel zum Einsatz. Wenn Sie kurzfristig mit Medikamenten Ihren Schmerz unterdrücken, signalisieren Sie Ihrem Gehirn: entspanne dich, es ist alles in Ordnung, es gibt keine Bedrohung. Dadurch beendet das Gehirn die Schutzspannung, der Reiz auf die Wirbelsäule ist weg und im Idealfall ist das Problem beendet, wenn Sie nach einigen Tagen die Schmerzmittel wieder absetzen.
Übrigens: diese Symptomatik des Hexenschusses kann nicht nur im Kreuz auftreten, sondern kann jeden Abschnitt der Wirbelsäule betreffen.
Bewegung statt Bettruhe – warum Schonung alles verschlimmern kann
Früher hieß es bei Rückenschmerz: „Leg dich hin und ruh dich aus.“ Heute weiß man, dass das genau falsch ist. Die Beweglichkeit nimmt ab, die Schmerzen nehmen zu – ein Teufelskreis.
Bleiben Sie also in Bewegung, auch wenn es etwas zieht. Kurze Spaziergänge, regelmäßiges Aufstehen, sanftes Dehnen – das ist heilsamer als jede Salbe.
Gerade bei Verspannungen im Bereich der Lendenwirbelsäule helfen sanfte Mobilisations- und Dehnübungen:
- Katzenbuckel & Pferderücken: Mobilisiert die Wirbelsäule sanft.
- Knie zur Brust ziehen (im Liegen): Entlastet die Lendenmuskulatur.
- Seitliche Rumpfdehnung (im Stand oder im Liegen): Fördert Beweglichkeit.
- Becken kreisen oder kippen: Fördert Durchblutung und Gelenkschmierung.
Ein einfacher Tipp: 2–3x täglich 5–10 Minuten Bewegung bringen oft mehr als passive Maßnahmen.
Wärme – bewährte Hilfe bei Verspannungen
Wärme wirkt bei unkomplizierten Rückenschmerzen oft wohltuend und muskelentspannend: Wärmflasche, Kirschkernkissen oder heiße Dusche helfen dem Körper zu entspannen. Ideal ist die Wärmeanwendung auch vor dem Dehnen, um den Effekt zu verstärken.
Die einfache Wärmflasche oder ein Heizkissen sind dabei meist am effektivsten. Die kühlenden oder wärmenden Effekte, die Schmerzsalben versprechen, wirken oft eher über das Hautgefühl als über tatsächliche Tiefenwirkung.
Schmerzsalben versprechen schnelle Hilfe – halten aber bei Rückenschmerzen selten, was sie versprechen. Die Wirkstoffe dringen nur oberflächlich ein und erreichen die eigentlichen Zielstrukturen nicht. Sie können sie unterstützend verwenden, sollten sich aber nicht ausschließlich darauf verlassen.
KinesioTape – sanfte Unterstützung
Kinesiotaping kann helfen, Muskeln zu entlasten und die Durchblutung zu verbessern.
Viele Patienten berichten über eine spürbare Linderung – auch durch den psychologisch positiven Effekt der „Unterstützung von außen“.
Beim Rückenschmerz hilft meist der einfach zu klebende Schmerzstern: schneiden Sie vier ca. 12 cm lange Streifen ab. Runden Sie die Ecken ab, damit die Bänder länger kleben bleiben. Suchen Sie sich den Punkt an Ihrem Rücken, der am meisten schmerzt. Kleben Sie von diesem Punkt ausgehend mit den vier Bändern einen Stern, bringen Sie beim Aufkleben die Bänder etwas unter Zug. Das Zentrum des Sterns liegt direkt über dem Hauptschmerzpunkt.

Streifen zuschneiden
Schneiden Sie 4 etwa 12 cm lange Streifen zu und runden Sie die Ecken ab.

Schmerzpunkt markieren
Markieren Sie den schmerzhaften Punkt. Dieser bildet die Mitte des zu klebenden Sterns.

Stern kleben
Kleben Sie die Streifen unter Zug in Form eines Sterns. Der schmerzhafte Punkt sollte bei jedem Streifen in der Mitte liegen.
Wegweiser bei Rückenschmerzen
Wenn Sie trotz Selbsthilfe nach 7–10 Tagen keine Besserung spüren oder wenn sich die Beschwerden verschlimmern, ist der Gang zum Orthopäden sinnvoll.
Früher zum Arzt sollten Sie bei
- ausstrahlenden Schmerzen ins Bein bis über das Knie hinaus. Schmerzausstrahlungen ins Gesäß und den Oberschenkel sind beim Hexenschuss normal.
- Taubheitsgefühl bis zum Knie oder darüber hinaus.
- Muskelschwäche: testen Sie selbst mehrmals täglich, ob Sie auf Zehenspitzen und auf den Fersen einige Schritte gehen können.
- Fieber, Gewichtsverlust, nächtlichen Schmerzen
Wie geht es dann weiter?
Der Orthopäde kann – je nach Befund – folgende Schritte einleiten:
- Chirotherapie / manuelle Therapie: bei Blockierungen oder muskulären Dysbalancen
- Bandagen / Orthesen: zeitweise Stabilisierung in akuten Phasen
- Infiltrationen (Spritzen): bei anhaltenden Schmerzen in tiefer gelegene Strukturen
- Akupunktur: gerade bei HWS-Beschwerden kann auch in der Akutphase die Akupunktur schnelle und schonende Hilfe bringen.
Bildgebung – wann ist ein MRT oder Röntgen sinnvoll?
Nicht jeder Rückenschmerz braucht ein Röntgenbild oder ein MRT. Eine Bildgebung ist erst dann angezeigt, wenn:
- die Beschwerden länger als 4–6 Wochen bestehen,
- neurologische Ausfälle auftreten
- oder ernsthafte Ursachen vermutet werden (z. B. Bandscheibenvorfall, Tumor, Entzündung).
Rückenschmerzen sind oft unangenehm, aber selten gefährlich.
Sie selbst sind der wichtigste Therapeut – mit Bewegung, Wissen und etwas Geduld.



