Wissenschaftliche Hintergründe zur PRP-Therapie
Der degenerative Verschleiß von Gelenken und die daraus entstehenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen für den Patienten stellen nach wie vor eine Herausforderung in der Orthopädie dar, da das Selbstheilungspotential des Körpers – insbesondere im Bereich des schlecht durchbluteten Gelenkknorpels – ohne Unterstützung von außen sehr begrenzt ist.
Aus der Erkenntnis heraus, dass die Unterstützung mit Wachstumsfaktoren notwendig ist, um einen Verschleiß der Gelenke zu stoppen und eine Beschwerdebesserung zu erreichen, hat sich der Einsatz von körpereigenen, biologischen Therapieformen zur Behandlung von Erkrankungen der Gelenke, Bänder, Sehnen oder der Muskulatur im Bereich der Extremitäten oder der Wirbelsäule durchgesetzt und wird inzwischen in Fachkreisen als Goldstandard angesehen.
Neben der stammzellbasierten Therapie kommen vor allem Wachstumsfaktoren aus dem Patientenblut zum Einsatz.
Gewinnung des PRP-Konzentrates
ACP wird durch Auftrennung des Patientenblutes mittels Zentrifugation gewonnen und enthält Thrombozyten, Wachstumsfaktoren und Plasmaproteine.
Im ersten Schritt werden dem Patienten ca. 15 ml Blut aus der Vene entnommen. Die Blutentnahme erfolgt mit der speziellen ACP-Doppelspritze. Dieses System hat zwei große Vorteile: einmal bleibt das Patientenblut während der gesamten Aufbereitung innerhalb der Spritze. Eine Kontamination von außen wird dadurch äußerst unwahrscheinlich. Zweitens kommt das System ohne Medikamentenzusätze aus (wie zum Beispiel Trenngel oder gerinnungshemmende Substanzen). Das gewonnene Plasma ist damit komplett autolog, enthält also nur körpereigene Substanzen des Patienten.
Die verschlossene Spritze wird im nächsten Schritt in eine Zentrifuge gegeben.
Durch die Zentrifugation wird das Blut in verschiedene Schichten aufgeteilt. Die schwereren Bestandteile (rote Blutkörperchen) sinken nach unten, während das Plasma mit den Plättchen (Thrombozyten) oben bleibt.
In diesem Schritt werden die Plättchen konzentriert und vom restlichen Blutplasma getrennt. So entsteht eine hohe Konzentration an Thrombozyten im Plasma, die in der Regel 2-3fach höher ist als im Patientenblut. Es liegt also letztlich eine hohe Konzentration der positiven Wachstumsfaktoren vor. Gleichzeitig wurden die Zentrifugation alle für die Heilung „negativen“ Bestandteile entfernt: rote und weiße Blutkörperchen tragen nicht zur Heilung bei, sondern würden im Gegenteil eine starke lokale Reizreaktion hervorrufen mit Schwellung, Überwärmung und Schmerz an der Injektionsstelle.
Wachstumsfaktoren und ihre Wirkung
In den Blutplättchen (Thrombozyten) ist eine hohe Konzentration an Wachstumsfaktoren enthalten. Wenn Blutplättchen aktiviert werden, geben sie diese Faktoren in die Umgebung ab. Eine solche Aktivierung erfolgt unter anderem, wenn eine Verletzung ausgelöst wird.
Warum das durchaus Sinn macht, zeigt folgendes Beispiel: ein Sportler knickt mit dem Sprunggelenk um, das Außenband reißt ein, es kommt zu einer Blutung aus dem begleitenden Weichteil. Die im Blut enthaltenen Thrombozyten werden nun aktiv. Sie sorgen zum einen durch Verklumpung für eine Blutstillung, die „Wundkruste“ entsteht. Gleichzeitig werden an den Ort des Schadens gleich alle Botenstoffe abgegeben, die nach einem Schaden den Wiederaufbau einleiten sollen.
Es werden dabei unzählige verschiedene Wachstumsfaktoren freigesetzt, die in ihrer Gesamtheit entscheidend zur Gewebereparatur und -regeneration beitragen. Sie arbeiten zusammen, um:
- Zellwachstum und -teilung zu fördern, was besonders wichtig für die Reparatur von Sehnen und Knorpel ist, die relativ wenig Zellaktivität zeigen.
- Blutgefäße zu bilden und somit die Nährstoffversorgung des verletzten Gewebes zu verbessern.
- Kollagenproduktion zu stimulieren, was für die Festigkeit und Struktur von Sehnen und Knorpel unerlässlich ist.
- Entzündungen zu reduzieren und die Heilung zu beschleunigen, indem sie das geschädigte Gewebe stabilisieren.
Nur einen Teil der Vorgänge haben wir bisher ausreichend erforscht und verstanden. Oft können wir die Wirkung nur anhand des Ergebnisses bewerten.
Wissenschaftliche Übersicht über die wichtigsten Wachstumsfaktoren
Platelet-Derived Growth Factor (PDGF)
Wirkweise: PDGF spielt eine wichtige Rolle bei der Zellteilung und dem Zellwachstum. Es regt vor allem die Bildung von Fibroblasten an, die für die Reparatur von Gewebe und die Bildung von Kollagen verantwortlich sind.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: In Sehnengewebe fördert PDGF die Bildung von Kollagenfasern, was die Festigkeit und Elastizität der Sehnen erhöht. Im Knorpelgewebe unterstützt es die Regeneration und den Wiederaufbau der Knorpelzellen (Chondrozyten).
Transforming Growth Factor Beta (TGF-β)
Wirkweise: TGF-β hat eine entzündungshemmende Wirkung und fördert die Bildung von Kollagen. Es spielt eine zentrale Rolle bei der Gewebereparatur und der Narbenbildung.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: TGF-β stimuliert die Produktion von extrazellulärer Matrix (das Gerüst, das Zellen stützt) und hilft so, die Sehnen nach einer Verletzung zu stabilisieren und die Knorpelstruktur zu regenerieren. Es fördert zudem das Wachstum von Knorpelzellen und verbessert die Festigkeit von Sehnen.
Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)
Wirkweise: VEGF regt die Bildung von Blutgefäßen an (Angiogenese). Dadurch wird die Blutversorgung des Gewebes verbessert, was die Nährstoffversorgung und den Abtransport von Abfallstoffen optimiert.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: Eine bessere Blutzufuhr ist besonders wichtig, um die Heilung von Sehnen und Knorpel zu beschleunigen, da diese Gewebe relativ wenig Blutversorgung haben. VEGF trägt dazu bei, die Nährstoffversorgung im beschädigten Gewebe zu verbessern und den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Insulin-like Growth Factor (IGF)
Wirkweise: IGF fördert das Wachstum und die Reparatur von Zellen und Geweben. Es wirkt direkt auf die Zellteilung und unterstützt die Regeneration der betroffenen Gewebe.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: IGF ist besonders wichtig für das Wachstum von Chondrozyten (Knorpelzellen) und Fibroblasten (Zellen, die Kollagen produzieren). So unterstützt es die Regeneration und Reparatur von Knorpelgewebe und hilft, Sehnen schneller wieder funktionsfähig zu machen.
Epidermal Growth Factor (EGF)
Wirkweise: EGF stimuliert die Zellteilung und fördert die Heilung von Haut- und Schleimhautgewebe. Es trägt zur Wundheilung und zur Bildung neuer Zellen bei.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: Obwohl EGF vor allem für die Haut bekannt ist, spielt es auch eine Rolle bei der Heilung von Sehnen, da es die Zellregeneration im Heilungsbereich fördert und die Bildung neuer Zellen unterstützt.
Fibroblast Growth Factor (FGF)
Wirkweise: FGF fördert die Proliferation und Migration von Zellen wie Fibroblasten und Endothelzellen, die für die Heilung und Regeneration von Gewebe wichtig sind.
Bedeutung für Sehnen und Knorpel: FGF unterstützt die Heilung von Sehnenverletzungen, indem es die Produktion von Kollagen und die Bildung von neuem Gewebe anregt. Im Knorpelgewebe hilft es, die Reparaturprozesse zu aktivieren und den Knorpel zu regenerieren.
Wissenschaftliche Studien zur PRP-Anwendung
Die PRP-Behandlung stellt eine in Fachkreisen anerkannte körpereigene, biologische Therapieform zur Behandlung von Erkrankungen der Gelenke, insbesondere bei Erkrankungen des Knorpels, dar. Selten wurde ein Thema in der Orthopädie so gut untersucht und selten ist eine Wirksamkeit in den letzten Jahren so gut belegt worden wie die Anwendung von PRP.
Es besteht ein breiter wissenschaftlicher Konsens für die Überlegenheit der PRP-Therapie in der Behandlung der Arthrose. Bereits 2017 wurde die PRP-Therapie von der amerikanischen Arthroskopie-Gesellschaft für die Behandlung der symptomatischen Gelenkerkrankungen empfohlen (vgl. Hunt T, Journal of Arthroscopy and Related Surgery, Literaturverzeichnis am Ende dieser Seite).
Bestärkt wurde diese Einschätzung zusätzlich von der Amerikanischen Gesellschaft für Sportmedizin in einer Stellungnahme aus 2021. Auch in dieser Studie wurde der große Stellenwert der PRPs bei der Therapie der Arthrose bekräftigt. In der Empfehlung wurde PRP höher als Hyaluronsäure und höher als Kortikoide bewertet. Insbesondere wurde die geringe Nebenwirkungsrate hervorgehoben und unter anderem damit begründet, dass die PRP-Therapie bei z.B. Gonarthrose der Therapie mit Hyaluronsäure vorzuziehen sei (vgl. Finoff J et al: American Medical Society for Sports Medicine Position Statement).
Im April 2022 hat sich diesem Statement auch der europäische Fachverband ESSKA (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery and Arthroscopy) angeschlossen (siehe Literatur im Anhang). In einer 58seitigen Stellungnahme wurde breit die wissenschaftliche Evidenz von PRP in der Arthrosebehandlung am Knie dargelegt. Es wurden unter anderem die klinischen und präklinischen wissenschaftlichen Erkenntnisse zusammengefasst sowie auf die klinische Sicherheit und das geringe Nebenwirkungsprofil hingewiesen. In der Stellungnahme wird klar eine Überlegenheit von PRPs gegenüber einer Behandlung mit Kortikoiden oder Hyaluronsäure festgehalten. Bei beginnenden degenerativen Veränderungen von Knorpel und Meniskus wurden PRPs als Mittel der Wahl empfohlen.
Mit der Metaanalyse von Das et al aus 2023 (Journal on Recent Advances in Pain) wurde auch für den indisch-indonesischen Raum eine klare Stellungnahme für PRPs ausgesprochen. In diesem Grundlagenpaper für einen Leitlinienvorschlag wurde die Anwendung von PRPs klar als erste invasive Maßnahme bei Gonarthrose bis Grad III empfohlen.
Somit ist die PRP-Therapie für arthrotisch veränderte Gelenke weltweit in den Empfehlungen der Fachgesellschaften zu finden. Ohne Ausnahme wird die geringe Rate an Nebenwirkungen hervorgehoben. Die Wirksamkeit ist auf weitem Feld anerkannt, die Nicht-Unterlegenheit gegenüber konventionellen Therapien gilt als gesichert.
Literaturnachweise
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Smith PA: Intra-articular Autologous Conditioned Plasma Injections Provide Safe and Efficacious Treatment for Knee Osteoarthritis. The American Journal of Sports Medicine 2016; 44(4): 884 – 891
Cerza F et al: Comparison between hyaluronic acid and platelet-rich plasma, intra-articular infiltration in the treatment of gonarthrosis. The American Journal of Sports Medicine 2012; 40(12): 2 822 – 2 827
Cole BJ et al: Hyaluronic Acid Versus Platelet-Rich Plasma: A Prospective, Double-Blind Randomized Controlled Trial Comparing Clinical Outcomes and Effects on Intra-articular Biology for the Treatment of Knee Osteoarthritis. The American Journal of Sports Medicine 2017; 45(2): 339 – 346
Durant TJ, Dwyer CR et al: Protective Nature of Platelet-Rich Plasma against Chondrocyte Death When Combined With Corticosteroids or Local Anesthetics. Am J Sports Med 2017 Jan;45(1):218-225
Beitzel K, McCarthy MB et al: The effect of ketorolac tromethamine, methylprednisolone, and platelet-rich plasma on human chondrocyte and tenocyte viability. Arthroscopy 2013 Jul;29(7):1164-74
McAlindon et al: Effect of Intra-articular Triamcinolone vs Saline on Knee Cartilage Volume and Pain in Patients With Knee Osteoarthritis: A Randomized Clinical Trial. JAMA. 2017; 317(19):1967-1975
Forogh B et al: Effect of Single Injection of Platelet-rich Plasma in Comparison with Corticsteroid on Knee Osteoarthritis: A Double-blind randomized Clinical Trial. J Sports Med Phys Fitness 2015 Jul 14
Huang et al: Intra-articular injections of platelet-rich plasma, hyaluronic acid or corticosteroids for knee osteoarthritis: a prospective randomized controlled study. Springer Medizin [Munich] Std. Num: 0854530
Repetto et al: Conservative Treatment of Ankle Osteoarthritis: Can Platelet-Rich Plasma Effectively Postpone Surgery? J Foot Ankle Surg 2017 Mar-Apr;56(2):362-365
Fukawa T, Yamaguchi S et al: Safety and Efficacy of Intra-articular Injection of Platelet-Rich Plasma in Patients With Ankle Osteoarthritis. Foot Ankle Int. 2017 Jun;38(6):596-604.
Vannabouathong et al: Intra-articular Injections in the Treatment of Symptoms from Ankle Arthritis: A Systematic Review; Foot & Ankle International 1–10
Chopin C et al: Prognostic Factors Related to Clinical Response in 210 Knees Treated by Platelet-Rich Plasma for Osteoarthritis. Diagnostics 2023, 13, 760
Hunt T: The Time Has Come to Try Intra-articular Platelet-Rich Plasma Injections for Your Patients With Symptomatic Knee Osteoarthritis. Arthroscopy 2017 Vol 33 (3):671-672
Vilchez-Cavazos F, Blázquez-Saldaña J et al: The use of platelet-rich plasma in studies with early knee osteoarthritis versus advanced stages of the disease: a systematic review and meta-analysis of 31 randomized clinical trials. Arch Orthop Trauma Surg. 2023 Mar;143(3):1393-1408
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Das G et al: Platelet-rich Plasma in Patients with Symptomatic Osteoarthritis Knee: An Evidence- and Consensus-based 2023 International Society for Musculoskeletal Ultrasound in Pain Medicine Guidelines. Journal on Recent Advances in Pain. 2023