Elektronische Patientenakte (ePA) – Fluch oder Segen?

Ab Januar 2025 wird für jeden gesetzlich versicherten Patienten von der Krankenkasse eine elektronische Akte angelegt, die von Ärzten befüllt werden muss und die die ganze Krankengeschichte eines Patienten enthalten soll.

Elektronische Patientenakte (ePA) – Fluch oder Segen?

von | 04.11.2024

Wie Sie aus unseren früheren Beiträgen wissen, stehen wir der Digitalisierung im Gesundheitswesen sehr positiv gegenüber und führen eine weitgehend papierlose Praxis. Neuerungen wie das eRezept oder die eAU sind schon seit dem Sommer 2022 bei uns etabliert. Ab 2025 wird der nächste Schritt der Digitalisierung, die elektronische Patientenakte, flächendeckend ausgerollt. Ein guter Zeitpunkt also, um sich kritisch mit diesem nächsten Schritt der Digitalisierung auseinanderzusetzen.

Die elektronische Patientenakte (ePA) wird in Deutschland derzeit stark beworben und soll, so das Versprechen, die Gesundheitsversorgung durch Digitalisierung verbessern. Doch der vermeintliche Fortschritt hat auch seine Schattenseiten, die vor allem für Patienten relevant sind, die auf Datenschutz, individuelle Betreuung und eine persönliche Arzt-Patienten-Beziehung Wert legen. Was ist die ePA, wie funktioniert sie, und warum ist es möglicherweise besser, sich gegen ihre Einführung zu entscheiden?

Was ist die ePA und wie funktioniert sie?

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine digitale Plattform, die alle Gesundheitsdaten eines Patienten zentral speichern und vernetzen soll. Ziel ist es, dass alle behandelnden Ärzte und weitere medizinische Fachkräfte (z.B. Psychotherapeuten) Zugriff auf ein umfassendes digitales Dossier des Patienten erhalten, das unter anderem Befunde, Laborberichte, Medikationspläne und Impfungen beinhaltet.

Der Patient kann selbst entscheiden, welche Daten er in der ePA speichern möchte und wem er Zugriff darauf gewährt. Die Steuerung erfolgt über eine App, die von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt wird. Alternativ kann der Patient bei jedem Arztbesuch festlegen, welche Befunde in die ePA gespeichert werden sollen und welche nicht.

Die Daten sollen dann jederzeit und an jedem Ort von medizinischem Fachpersonal abgerufen werden können, um Behandlungen schneller und effizienter zu gestalten. Auf den ersten Blick klingt dies vielversprechend, doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass die ePA eine Vielzahl an Risiken mit sich bringt und die Verwaltung der ePA sich für viele Patienten sich als sehr unübersichtlich und schwierig darstellt.

Chancen: Verbesserte Kommunikation – nur ein Ideal?

Die ePA bietet von ihrer Grundidee her sehr viele Vorteile.

  • So könnte sie die Kommunikation zwischen Ärzten vereinfachen, da medizinische Informationen jederzeit abrufbar sind.
  • Das könnte Doppeluntersuchungen vermeiden und eine schnellere, effektivere Behandlung ermöglichen.
  • Wenn Sie wegen ähnlicher Beschwerden schon einmal beim Arzt waren, kann der nachfolgende Arzt sehen, welche Diagnostik schon durchgeführt wurde und welche Maßnahmen bereits ergriffen wurden.
  • Durch den Zugriff auf alle Medikamente, die ein Patient einnimmt, können Wechselwirkungen vermieden werden.
  • Falls ein Notfall-Datensatz (mit zum Beispiel Allergien) hinterlegt ist, kann dies gefährliche Zwischenfälle vermeiden helfen.
  • Auch für Patienten, die sich wenig um die Verwaltung ihrer Gesundheitsdaten kümmern können oder wollen, könnte die ePA auf den ersten Blick eine Erleichterung darstellen.

Doch in der Realität sind diese Vorteile nur schwer zu realisieren. Die Sicherheit der Daten, das Vertrauen der Patienten und die bürokratischen Herausforderungen, die die ePA für die Arztpraxen bedeutet, stehen diesem Ideal entgegen.

Risiken: Datenschutz und Missbrauchspotenzial

Eines der größten Probleme der ePA ist der Datenschutz. Die zentrale Speicherung aller sensiblen Gesundheitsdaten eines Patienten macht sie anfällig für Hackerangriffe. Die Daten werden auf Servern privater Firmen gespeichert und demnächst auch im Europäischen Gesundheitsdatenraum, also außerhalb Deutschlands, nutzbar sein.

Bereits heute sehen wir, wie häufig große Unternehmen und staatliche Institutionen Ziel solcher Angriffe werden. Bei einer ePA wären die persönlichen Gesundheitsinformationen vieler Millionen Menschen in Gefahr. Ein Datenleck oder ein Hackerangriff könnte zu massiven Datenschutzverletzungen führen, deren Auswirkungen für den Einzelnen verheerend sein könnten. In den Jahren 2021 bis 2023 betrafen 53% der Cyberangriffe in Europa den Gesundheitssektor, das Interesse an diesen Daten ist also offensichtlich sehr groß.

Die erhobenen Gesundheitsdaten werden der Forschung zur Auswertung zur Verfügung gestellt. Die Daten werden ab Juni 2025 automatisch ins „Forschungsdatenzentrum Gesundheit“ weiter geleitet und dort für 100 Jahre gespeichert. Ihre Daten werden dafür aber nur pseudonymisiert, nicht anonymisiert, können also prinzipiell zu Ihnen zurück verfolgt werden. Die Pseudonymisierung ist mit relativ geringem Aufwand zu überwinden, die Re-Identifizierung also durchaus möglich, wie bereits der Chaos Computer Club und der Bundesverband der Verbraucherzentrale 2023 gewarnt haben.
Interessengruppen können die Nutzung von Patientendaten beantragen, wenn sie als Zweck „Gemeinwohl“ angeben, wobei auch wirtschaftliches Interesse als „Gemeinwohl“ definiert werden kann. Sowohl gemeinwohl-orientierte als auch profitgesteuerte Akteure können so auf Gesundheitsdaten von mehr als 90% der Bevölkerung zugreifen (die Privaten Krankenversicherung beteiligen sich nicht an der ePA).

Zudem kann man sich nicht darauf verlassen, dass Daten nicht für andere Zwecke missbraucht werden. Krankenkassen könnten etwa in Versuchung geraten, die Daten zu analysieren und auf Basis von Vorerkrankungen Entscheidungen über Leistungen oder Tarife zu treffen. Selbst bei der Zusicherung, dass dies nicht passieren würde, bleibt ein ungutes Gefühl: Wer garantiert wirklich, dass die Daten der Patienten sicher und nur im Sinne des Patientenwohls verwendet werden?

Unter anderem aus diesen Gründen äußern sich auch die Bundesbeauftragten für den Datenschutz (BfDI) kritisch gegenüber der ePA. Ebenso hat sich das Bundesamt für Sicherheit (BSI) in der Informationstechnik besorgt geäußert über den Umgang mit den Daten in der ePA.

Mehr Bürokratie für Praxen – weniger Zeit für den Patienten

Das größte Problem, das durch die ePA entsteht, ist die zusätzliche Bürokratie für unsere Praxis. Wir möchten in erster Linie Ihre medizinische Versorgung gewährleisten, nun müssen wir auch die digitale Akte betreuen und verwalten. Die Umsetzung, Pflege und Sicherstellung, dass alle relevanten Informationen korrekt in der ePA hinterlegt werden, kostet wertvolle Zeit. Da diese Arbeit von den Krankenkassen aber nicht bezahlt wird, können wir Praxen diese Arbeit nicht noch zusätzlich leisten. Die mit Bürokratie verbrachte Zeit fehlt dann in der direkten Betreuung der Patienten.

Jeder Arztbesuch wird durch die Verwaltung der ePA potenziell verlängert. Bereits jetzt haben wir kaum die personellen und zeitlichen Kapazitäten, um die vielen administrativen Aufgaben ohne Qualitätsverlust zu bewältigen. Anstelle der erhofften Effizienzsteigerung wird die ePA bei uns vor allem die Bürokratie erhöhen und uns wertvolle Zeit kosten, die wir dann mit mehr für die Patientenversorgung haben.

Entscheiden Sie sich aktiv für oder gegen Ihre elektronische Patientenakte

Sie als Patient können frei entscheiden, ob für Sie auf den Servern der Krankenkassen eine elektronische Patientenakte angelegt wird oder nicht.
Falls Sie sich für die ePA entscheiden, müssen Sie nichts tun, die Akte wird ab Januar 2025 automatisch für Sie angelegt. Wichtig für Sie: laden Sie sich die App Ihrer Krankenkasse herunter und verwalten Sie Ihre Akte aktiv. Nur wenn Sie aktiv tätig werden, behalten Sie die Hoheit über Ihre Gesundheitsdaten.

Falls Sie die Einrichtung ihrer elektronischen Akte ablehnen, können Sie sich unkompliziert an Ihre Krankenkasse wenden und dort schriftlich widersprechen. Viele Kassen bieten zudem die Möglichkeit, diesen Widerspruch direkt über die entsprechende ePA-App zu erklären.
Wichtig für Sie: Wenn Sie die ePA nicht nutzen, dann entstehen Ihnen keinerlei Nachteile!

Als sinnvolle Alternativen zur ePA können Sie den klassischen Aktenordner oder eigene Datenträger nutzen.

Ein Widerspruchsformular finden Sie hier.

Gern beraten wir Sie bei Ihrem nächsten Besuch bei uns individuell.

Fazit

Die ePA ist in der Grundidee ein wichtiger Fortschritt. Ihre konkrete Umsetzung bei uns in Deutschland bringt aber in erster Linie eine weitere Bürokratisierung in der Arztpraxis und  Risiken im Datenschutz mit sich.

Informieren Sie sich und lassen Sie sich die Entscheidung nicht aus der Hand nehmen.

Die Entscheidung gegen die ePA kann eine Entscheidung für die individuelle Betreuung und sein und für eine Gesundheitsversorgung, in der der Patient im Mittelpunkt steht und nicht die Bürokratie.

Weiterführende Links

Einen guten Überblick über Vorteile und Risiken der ePA finden Sie hier:

https://www.team-zahnaerzte-bayern.com/epa

Die Stellungnahme der Bundesbeauftragten für den Datenschutz finden Sie hier:

https://www.bfdi.bund.de/DE/Buerger/Inhalte/GesundheitSoziales/eHealth/elektronischePatientenakte.html

Die Stellungnahme der Bundesärztekammer finden Sie hier:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/Stellungnahmen_WP20/DigiG/stellungnahme_bundesaerztekammer.pdf

Einen Kommentar der Münchner Ärzteschaft zum Thema finden Sie hier:

Münchner Ärztliche Anzeigen 23|2024

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